DEUTSCHLAND - Medien

Ein Stapel deutscher Zeitungen
Flickr | Die Linke Brandenburg - CC BY 2.0

Das ➡️ deutsche Mediensystem und die Politik dahinter

In Deutschland schreitet die Konzentration von Medienunternehmen kontinuierlich voran – mit Auswirkungen auf die Meinungsvielfalt und Pressefreiheit. Öffentlich-rechtliche Sender wie ARD und ZDF spielen eine zentrale Rolle in der politischen Meinungsbildung, während private Medienhäuser unter zunehmendem ökonomischem Druck stehen. Reporter ohne Grenzen stuft Deutschland im Ranking zur Pressefreiheit 2025 nur noch auf Platz 11 ein. Dies ist nicht nur auf rechtsextreme Anfeindungen gegenüber Journalisten zurückzuführen, sondern auch auf strukturelle und wirtschaftliche Herausforderungen im Mediensektor.

Im Printbereich ist die Konzentration besonders ausgeprägt: Die vier größten Verlagsgruppen – Axel Springer, Bertelsmann, SWMH/Medien Union und die Zeitgruppe/Holtzbrinck – kontrollieren gemeinsam 63,5 % der verkauften Tageszeitungsauflage. Axel Springer erreicht mit Titeln wie Bild und Die Welt allein einen Marktanteil von über 26 %. In über zwei Dritteln der deutschen Landkreise erscheint mittlerweile nur noch eine einzige Regionalzeitung. Dies bedeutet einen dramatischen Verlust an publizistischer Vielfalt auch auf lokaler Ebene.

Im Fernsehbereich dominieren ebenfalls wenige Anbieter. Die drei größten – ARD/ZDF, RTL-Gruppe und ProSiebenSat.1 – erreichen einen gemeinsamen Marktanteil von 78 %. Die öffentlich-rechtlichen Sender halten dabei rund 48 %, die beiden großen privaten Anbieter zusammen etwa 40 %. Die Informationsmacht konzentriert sich somit auf wenige große Medienakteure, was sich auch auf die Vielfalt der dargestellten Perspektiven auswirkt.

Im digitalen Bereich ist die Konzentration geringer, aber nicht minder problematisch. Vor allem Plattformen wie Google oder Apple News nehmen als Gatekeeper eine immer dominierender Rolle ein und bestimmen, welche Inhalte uns angezeigt werden. Laut der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) droht die Entwicklung, dass KI-gestützte Marktverhältnisse die Macht großer Tech-Konzerne wie Google oder Meta weiter stärken – etwa durch algorithmische Steuerung und Datenmonopole.

 

Eine Statistik zur Mediennutzung nach Alter
statista 2024

Soziale Medien als politische Akteure

 Soziale Netzwerke spielen eine zunehmend zentrale Rolle in der politischen Meinungsbildung, insbesondere bei jungen Menschen. Laut der Bitkom Studie 2023 nutzen 78 % der unter 30-Jährigen soziale Medien als primäre Nachrichtenquelle; 43 % geben an, dass diese Plattformen ihre politische Meinung beeinflussen. Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube sind längst integraler Bestandteil der politischen Kommunikation geworden.

Allerdings führen die Algorithmen sozialer Medien dazu, dass Inhalte mit Polarisierungspotenzial besonders große Reichweite erzielen. Die AfD nutzt dies aus: Ihre Inhalte auf TikTok werden millionenfach aufgerufen – deutlich mehr als Inhalte der Regierungsparteien SPD oder CDU. Die Nutzung von KI zur zielgerichteten Produktion und Verbreitung emotionalisierender Inhalte verstärkt diesen Trend.

Der Erfolg zeigt sich auch in Wahlergebnissen: Bei der Landtagswahl in Thüringen 2024 stimmten 38 % der 18- bis 24-Jährigen für die AfD; bei den Bundestagswahlen 2025 konnte sie mit 20,8 % ihr bislang bestes Ergebnis erzielen. Dies verweist auf eine deutliche Verschiebung der politischen Ansichten junger Menschen – nicht zuletzt durch digitale Radikalisierung.

 

Eine Statistik zu Fake News auf Social Media
statista 2024

Alternative Medien – Vielfalt, Licht und Schatten

Neben rechten Medien wachsen auch andere alternative Plattformen jenseits des Mainstreams. 2019 waren laut Erhebungen 178 alternative Medienprojekte im deutschsprachigen Raum aktiv. Projekte wie die NachDenkSeiten, Telepolis oder Infosperber erreichen ein breites Publikum und bedienen ein Bedürfnis nach anderen Perspektiven. Gerade jüngere Menschen wenden sich vermehrt solchen Angeboten zu, da sie klassischen Medien kritisch gegenüberstehen.

Laut dem Reuters Institute Digital News Report 2023 vertrauen nur noch 43 % der Deutschen den etablierten Medien vollständig. Rund 20 % konsumieren regelmäßig Inhalte aus dem alternativen Spektrum. Das führt zu einer breiteren Meinungsvielfalt – birgt aber auch Risiken. Denn viele alternative Medien halten journalistische Standards oftmals nicht ein. Plattformen wie RT DE, Apolut oder Anti-Spiegel verbreiten teils offen russische Propaganda, Fake News und Verschwörungstheorien.

Laut einer Studie der Vodafone Stiftung aus 2020, gaben drei Viertel der 14- bis 24-Jährigen an, wöchentlich mit Falschnachrichten konfrontiert zu sein. Der Verfassungsschutz sieht hierin ein wachsendes sicherheitspolitisches Problem – sowohl durch extremistische Akteure als auch durch ausländische Einflussnahme. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) registrierte 2022 über 12.000 Vorfälle gezielter Desinformationskampagnen.

Tipp: Unser umfassender Ratgeber ➡️ Nachrichtenportale

 

Eine Ausgabe des Compact Magazins mit AfD Werbung
Flickr | conceptphoto.info - CC BY 2.0

Rechte Medienstrategien und alternative Öffentlichkeiten

Die AfD betreibt eine gezielte Medienstrategie zur Verschiebung des öffentlichen Diskurses. Sie setzt auf die Delegitimierung etablierter Medien, den Aufbau parteinaher Medienplattformen und die Schaffung einer identitätsstiftenden Gegenöffentlichkeit. Auf eigenen Plattformen wie AfD-TV.de inszeniert sich die Partei als „echte Alternative“ zur etablierten Medienlandschaft. Gleichzeitig diffamiert sie öffentlich-rechtliche und private Medien regelmäßig als „Systempresse“ oder „Regierungspapageien“.

Flankierend dazu nutzt die AfD alternative Plattformen wie Telegram, YouTube oder Kooperationen mit rechtsextremen Medien wie Compact, PI-News, Junge Freiheit oder Auf1, die teilweise offen antidemokratische und verschwörungsideologische Narrative bedienen. Laut der Amadeu Antonio Stiftung existieren in Deutschland über 70 Medienprojekte mit eindeutiger rechtsextremer Ausrichtung.

Diese alternativen Medien bedienen gezielt ein Publikum, das sich von klassischen Medien entfremdet hat. Begriffe wie „Lügenpresse“ und „Mainstream-Medien“ prägen die Diskurse in diesen Kreisen. Die Themeninszenierung folgt dabei klaren Mustern: Migration wird als Sicherheitsbedrohung dargestellt, Klimaschutz als elitär diffamiert und Genderdebatten als ideologische Umerziehung diskreditiert.

Studien des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) zeigen, dass rechte Medien häufig mit Feindbildern, Verschwörungserzählungen und stark emotionalisierenden Schlagzeilen arbeiten. Komplexe Sachverhalte werden dabei gezielt vereinfacht und moralisch aufgeladen – mit dem Ziel, Empörung und Polarisierung zu erzeugen.

Gleichzeitig verschieben rechte Medien langfristig die politischen Koordinaten: Begriffe wie „Remigration“ oder „Umvolkung“, die früher eindeutig rechtsextrem konnotiert waren, finden vermehrt Eingang in den öffentlichen Diskurs. Der Verfassungsschutz spricht von einem dynamischen Radikalisierungsmilieu, das sich digital organisiert und sich immer wieder in gewaltsamen Anschlägen entlädt – wie bei den Attentaten in Halle 2019 oder Hanau 2020.

 

Eine Statistik zur Meinungsbildung durch Medien in Deutschland
statista 2024

Meinungskorridore und gesellschaftliche Polarisierung

Besonders bei gesellschaftlich polarisierenden Themen wie Migration, Klimapolitik oder Genderfragen kommt es oft zu moralischer Aufladung und emotionsgeladenen Debatten. Ein zentrales Spannungsfeld bleibt dabei die Frage, welche Meinungen öffentlich artikuliert werden können – und welche eher umstritten sind. In Deutschland beobachten Medienforscher eine zunehmende Verengung der Meinungskorridore. Laut einer Allensbach-Umfrage 2023 glauben 44 % der Deutschen, ihre Meinung nur unter Vorbehalt äußern zu können. Besonders verbreitet ist dieses Gefühl unter AfD-Wählern mit 62 %

Meinungskorridore entstehen durch Themenauswahl und Rahmung in den Medien. Studien wie die der Otto Brenner Stiftung 2023 zeigen, dass insbesondere deutsche Leitmedien in Debatten wie der Impfpflicht oder dem Ukraine-Krieg häufig einem konsensorientierten Kurs folgen. Kritische Stimmen werden dabei mitunter vorschnell als „populistisch“ oder „verschwörungsideologisch“ abgewertet – was das Gefühl verstärkt, dass es nur noch eine erlaubte Meinung gebe.

Parallel dazu haben sich Debatten über eine zunehmende „Cancel Culture“ etabliert. Wer öffentlich kontroverse Ansichten äußert, riskiert soziale Ausgrenzung oder berufliche Nachteile. Das kann öffentliches Bewusstsein für diskriminierendes oder schädliches Verhalten schaffen – aber auch negative gesellschaftliche Auswirkungen haben. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen warnt vor einem „moralisch überdrehten Diskursklima“, das zu Selbstzensur führen könne.

Diese Entwicklung birgt Risiken für den demokratischen Diskurs: Wenn Bürger den Eindruck haben, dass es keine echten Debattenräume mehr gibt, wächst die Anfälligkeit für populistische Angebote. Die AfD profitiert davon: Sie inszeniert sich gezielt als „Stimme des Volkes“ gegen den medialen „Mainstream“. Soziale Medien verstärken diese Fragmentierung zusätzlich. Laut dem Reuters Institute Digital News Report 2022 vermeiden 36 % der Nutzer aktiv Inhalte, die ihrer Meinung widersprechen – ein deutlicher Hinweis auf die Bildung von Filterblasen.

 

Eine Demo mit Plakat für eine freie Presse in Deutschland
Wiki | Sebaso - Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0

Maßnahmen für eine ausgewogene Medienlandschaft

Zur Verbesserung des deutschen Mediensystems gibt es zahlreiche konkrete Vorschläge und Ansätze aus Wissenschaft, Politik und Medienpraxis. Ein zentraler Punkt ist die Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei gleichzeitiger Reform seiner Strukturen. Experten betonen die Notwendigkeit einer klaren Aufgabendifferenzierung und einer stärkeren Ausrichtung auf den Gemeinwohlauftrag, um die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Systems langfristig zu sichern. Dabei geht es auch um eine stärkere Transparenz bei der Mittelverwendung und die Vermeidung von Doppelstrukturen.

Ein weiterer Ansatz ist die Förderung des gemeinnützigen Journalismus. Organisationen wie „Netzwerk Recherche“ oder die „Allianz für Gemeinnützigkeit“ fordern, dass gemeinnützige journalistische Angebote steuerlich besser gefördert werden. In einem Positionspapier heißt es: „Unabhängiger Journalismus darf kein Luxusgut sein – seine Förderung ist demokratiepolitisch notwendig.“ Dies soll insbesondere die regionale und investigative Berichterstattung stärken, die durch wirtschaftlichen Druck zunehmend eingeschränkt wird.

Auch die Regulierung digitale Plattformen spielt eine entscheidende Rolle. Medienwissenschaftler argumentieren, dass Algorithmen nachvollziehbar und demokratisch kontrollierbar sein müssen, damit sie nicht verzerrt informieren oder Desinformation verstärken. Die Einführung eines europäischen digitalen Mediengesetzes (European Media Freedom Act) wird in diesem Zusammenhang als wichtiger Schritt gesehen, um Plattformen stärker in die Verantwortung zu nehmen und Medienvielfalt zu sichern.

Zusätzlich fordern Fachleute eine bessere Aus- und Weiterbildung von Journalisten im Umgang mit digitalen Technologien, Quellenprüfung und Desinformation. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hebt hervor: „Der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Journalismus hat das Potenzial, sich auf die Meinungs- und Willensbildung und damit auf Staat und Gesellschaft auszuwirken. Er wird zudem tiefgreifende Folgen für die Arbeit von Journalisten haben.“

Rechte Medienstrategien, verengte Meinungskorridore und wachsende ökonomische Zwänge stellen deutsche Medien vor erhebliche Herausforderungen. Besonders alarmierend ist, dass ökonomischer Druck und digitale Desinformation zunehmend die Qualität und Vielfalt der Berichterstattung gefährden. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, braucht es gezielte Reformen: eine transparente Neuausrichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die Förderung gemeinnütziger Medienprojekte und eine konsequente Regulierung digitaler Plattformen. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, den demokratischen Auftrag der Medien zu stärken und gleichzeitig ihre Unabhängigkeit zu bewahren.

Denn ein freier, ausgewogener und kritischer Journalismus ist essenziell für eine funktionierende Demokratie. Er ermöglicht öffentliche Debatten, kontrolliert Macht und vermittelt Orientierung in einer komplexen Welt. Gerade in Zeiten wachsender gesellschaftlicher Polarisierung ist ein vielfältiger und verantwortungsvoller Medienapparat kein bloßes Ideal, sondern demokratische Notwendigkeit. Nur wenn Bürger Zugang zu verlässlichen Informationen haben, können sie informierte Entscheidungen treffen und aktiv an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben.

Autor: Maximilian Stark 02.06.25, lizenziert unter CC BY-SA 4.0

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Aktuelle Themen

Ein Zeitungsstand in einer Innenstadt
Flickr | Björn Seibert - CC BY-NC-ND 2.0

Meinungskorridor

Ende April 2024 veröffentlichten Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Sender ein Manifest, in dem sie mangelnde Meinungsfreiheit und Quotendruck kritisierten. Immer wieder wird in Deutschland über die Meinungsvielfalt in deutschen Medien diskutiert - vor allem angesichts des aktuellen Gaza-Krieges. Eine Studie der Stiftung Mercator widerspricht dem Manifest und sieht in ihrer Untersuchung keine einseitige Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien. Im privaten Bereich lässt sich allerdings eine deutliche Medienkonzentration feststellen. Wenige große Verlage oder reiche Privatpersonen halten bedeutende Medienanteile. 

Meinungskorridor

Fake News

Die Verbreitung von manipulativen und gefälschten Nachrichten hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Vor allem über soziale Medien verbreiten sich Beiträge schnell und in großer Zahl. Meist werden sie genutzt, um politische Gegner zu diskreditieren oder populistisch geschürte Ängste zu stützen. Leider setzen sich Facebook und Co. bisher nur mangelhaft gegen Fake News ein und so bleibt es jedem selbst überlassen, sich zu bilden und Nachrichten kritisch zu rezipieren. 

Fake News

Open Data

Daten, die für alle frei zugänglich, verarbeitet und weiterverwendet werden dürfen, fördern die Zusammenarbeit und den globalen Wissensaustausch. Durch die freie Verwendung werden auch fachinterne Diskurse gefördert und Forschung oder Wissenschaft können von einer größeren Menge rezipiert und gefördert werden. Regierungen könnten durch die Bereitstellung offener Daten sogar die politische Transparenz stärken und Lobbyismus entgegen wirken. 

Open Data
Claas Relotius im Portrait
Wiki | Krd - CC BY-SA 4.0

Der Fall Relotius

Claas Relotius ist ein ehemaliger deutscher Journalist, der vorwiegend für den Spiegel schrieb und für seine Reportagen vielfach ausgezeichnet wurde. Im Dezember 2018 wurde allerdings aufgedeckt, dass Relotius viele seiner Recherchen frei erfunden oder gefälscht hatte. Der Fall löste eine große interne Untersuchung beim Spiegel-Verlag und eine weite Debatte über journalistische Freiheiten und Quellengenauigkeit aus.

Der Fall Relotius
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